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Seit 1989 wird der Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene verliehen. Aus den Einsendungen wählt die Jury die qualitativ gelungensten und eindrucksvollsten Texte (Gedichte, Erzählungen, Romanauszüge, Tagebuchaufzeichnungen, Reportagen, Briefe, Hörspiele etc.) aus. Die ausgezeichneten Beiträge werden anschließend in einer Anthologie in Buchform veröffentlicht. Die Jury besteht aus sechs Juroren. Zur Grundidee des Preises gehört die paritätische Zusammensetzung der Jury aus (teilweise ehemaligen) Gefangenen und Nicht-Gefangenen. Bei letzteren wird zumeist versucht, Persönlichkeiten aus den Bereichen Literaturkritik, Journalismus oder Kriminologie zu gewinnen. Das Sozialinstitut „Kommende“ in Dortmund war erneut Gastgeber der Preisverleihung für den Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis. Konstantin Wecker ist per Video zugeschaltet.

Schirmherr Konstantin Wecker erzählt von seiner Haft

Der Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis ist in dieser Form deutschlandweit einzigartig und stellt einen ergänzenden Faktor im deutschen Kulturleben dar. Dies zeigt sich darin, dass bei den vergangenen Ausschreibungen die namhaften AutorInnen Martin Walser, George Tabori, Luise Rinser sowie der ehemalige Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Hans Schwier, als Schirmherren dienten. Der Schirmherr der diesjährigen Preisverleihung, der Musiker und Liedermacher Konstantin Wecker, wurde mit einer Videobotschaft zugeschaltet. Seit mehr als 40 Jahren zählt er zu den bedeutenden deutschen Liedermachern – der streitbare Dichter und sanfte Revoluzzer Konstantin Wecker. Erst kürzlich feierte er seinen 75. Geburtstag. Konstantin Wecker ist ein Multitalent, der das Auf und Ab im Leben aus eigener Erfahrung kennt. Viele Lieder hat er geschrieben, dazu Filmmusiken, Musicals, Gedichte und Bücher. Auch war er als Schauspieler tätig.

Konstantin Wecker erzählte aus seiner ersten Inhaftierung als 18 jähriger. Er erfuhr das Schreiben als lebensnotwendig für sich, als er in Ermangelung von Schreibpapier auf Toilettenpapier schrieb. Als unrechtmäßige Willkür erlebte er, dass ihm Bedienstete die Schriftstücke wegnahmen. Das Schreiben sei die Chance, hinter der Realität die Wirklichkeit zu entdecken. Schreiben bedeute, im eigenen Selbst einzutauchen, wie er es in seinem Buch: „Die Kunst des Scheiterns“ erzählt.

Schreiben als Schlüssel nach draußen

Mit der Ausschreibung zum Ingeborg-Drewitz-Preis zum Thema „Gefühle verboten – Gefühle verbogen“ sind Texte eingereicht worden, die über das Beschreiben von Erlebten hinaus gingen und Gefühle vermitteln in schweren Situationen. Genau dies begrüßte einer der diesjährigen Preisträger, Christian „Bär“ Templiner, der seit 28 Jahren in Haft und Sicherungsverwahrung sitzt, inzwischen zwei Bücher veröffentlicht hat und derzeit ein Kinderbuch schreibt. Er bezeichnet das Schreiben als „einen Schlüssel nach draußen, der die Justiz nicht mehr sein kann!“.

Prof. em. Johannes Feest, Begründer des Justizvollzugsarchivs und des Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis beklagt, dass in den vergangenen Jahren nur wenige Preisträger*innen teilnehmen konnten. Christian „Bär“ Templiner durfte im Gegensatz zu anderen inhaftierten Preisträgern am frühen Sonntagmorgen in Begleitung durch zwei Vollzugsbedienstete aus Berlin anreisen. Dafür war er, sichtlich gerührt, sehr dankbar. Die anderen anwesenden Preisträger*innen sind bereits entlassen oder kamen aus dem offenen Vollzug: Rero W., der bereits das dritte Mal zu den Preisträgern zählt, aber jetzt das erste Mal live dabei sein konnte, Nina Ruhr und Nador. Für Johannes J. nahm stellvertretend ein Mitarbeiter des pädagogischen Dienstes den Preis entgegen, für Helmut Pammler und Frank Bieber-Kopf eine gemeinsame Freundin.

Preisträger auch aus Nordrhein Westfalen

Der Strafgefangene Johannes J. aus der Sozialtherapeutischen Anstalt Bochum gehört auch zu den diesjährigen Preisträgern des renommierten Ingeborg-Drewitz-Literaturpreises für Gefangene. Der Jung-Schriftsteller konnte die Jury mit seinem Text: Knastpoeten oder der Moment, wenn Stifte auf Wände treffen überzeugen, er wurde dabei vom pädagogischen Dienst der SothA tatkräftig unterstützt.

Trägerkreis

Zum Trägerkreis des Preises gehören die Gefangeneninitiative Dortmund, die Strafvollzugsarchive an der Fachhochschule Dortmund und der Universität Bremen, und der Verein Chance e.V. Münster, die Humanistische Union Nordrhein-Westfalen, die Katholische Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V., die Evangelische Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland und die Dokumentationsstelle Gefangenenliteratur der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.

Quelle: https://gefaengnisseelsorge.net/

Autorin: Dorothee Wortelkamp-M`Baye | JVA Köln